Dr. med. Daniela Koppold im Experteninterview zum Thema: Ganzheitliche Therapie von Zyklusstörungen
Während Zyklusbeschwerden lange Zeit wenig präsent in Medien und Forschungsarbeiten waren, nimmt das Interesse an einer ganzheitlichen Therapie von Zyklusstörungen zu. In diesem Zusammenhang wird untersucht, inwiefern sich pflanzliche Mittel, Fasten und ein gesunder Lebensstil mit Stressabbau und einer antientzündlichen, pflanzlich-betonten Ernährung positiv auf den weiblichen Zyklus auswirken können.
Dr. Koppold: Obwohl keine wissenschaftlichen Daten vorliegen, können Zyklusstörungen erfahrungsgemäß über Fasten reduziert werden. Es wird diesbezüglich diskutiert, ob Entzündungen als Ursache in Frage kommen, da sich entzündliche Prozesse unter Nahrungsverzicht verbessern können. Gleiches gilt für ein hormonelles Ungleichgewicht als Grund für Zyklusstörungen. Auch diesbezüglich wird von einigen Betroffenen berichtet, dass sowohl die Hormonregulation als auch Zyklusbeschwerden von einer Fastenkur profitieren können – allerdings kann es zwei bis drei Monate dauern, bis sich Ergebnisse zeigen. Konkrete Empfehlungen können allerdings erst dann ausgesprochen werden, sobald ein möglicher Zusammenhang über aussagefähige Studien belegt ist, was aktuell leider noch nicht der Fall ist.
Zusätzlich wird diskutiert, ob die Fertilität unter Fasten verbessert wird, allerdings liegen auch hier bisher keine Studienergebnisse vor. Auf psychologischer Ebene halte ich Fasten bei Kinderwunsch durchaus für sinnvoll, da viele Frauen an ihrem Körper zweifeln und sich fragen, warum sie nicht schwanger werden. Diesbezüglich berichten Frauen, dass sie das Erleben einer Fastenkur als positiv für ihr Körpergefühl und ihre Psyche empfinden, indem sie ihren Körper nochmal neu spüren – und die Kontrolle über ihren Körper zurückerlangen.
Dr. Koppold: Leider liegen zu wenig Daten dazu vor, welchen Einfluss naturheilkundliche Therapieansätze auf die hormonelle Balance und spezifische Beschwerden haben können. Aus meiner Erfahrung kann ein Versuch mit Präparaten der Pflanzenheilkunde wie Mönchspfeffer oder Traubensilberkerze bei Zyklusstörungen sinnvoll sein.
Gleiches gilt für die Ordnungstherapie bei einer hormonellen Dysbalance: „Wie kann ich wieder mehr Rhythmus in mein Leben bringen?“ Diesbezüglich sind Aspekte wie Bewegung, Schlaf und ein sinnvoller Ernährungsrhythmus mit Fastenphasen zu nennen. Denn wie soll der Zyklus reibungslos ablaufen, wenn der Alltag nicht ausbalanciert und strukturiert abläuft, sondern gestört ist? Schließlich wird der Zyklus in der Naturheilkunde als Element des Rhythmus verstanden. Daher halte ich bei Zyklusstörungen Stressbewältigung über Meditation und Intervallfasten für einen stabilen Essrhythmus für sinnvoll, obwohl es auch dazu bisher keine wissenschaftlichen Daten gibt. Darüber hinaus kann die hormonelle Dysbalance unter einem Zuviel an Fettgewebe bzw. Übergewicht leiden, sodass in diesem Fall Normalgewicht anzustreben ist.
Zusätzlich haben sich Ansätze der chinesischen und der indischen traditionellen Medizin wie Akupunktur, Phytotherapie oder Ölmassagen bewährt. Gleiches gilt für manuelle Therapieansätze wie die Osteopathie.
Ich würde empfehlen, sich eine professionelle Beratung zu suchen, da man sich ansonsten in dem sehr breiten Feld der Naturheilkunde schnell verlaufen kann. Es geht um eine individuell ausgerichtete Therapie, die darauf abzielt, negative Stressoren zu reduzieren und Körper und Geist in Einklang zu bringen. Dabei ist es auch wichtig, sich weiterzuentwickeln und Herausforderungen anzunehmen. Damit meine ich, dass positiver Stress eine Möglichkeit bietet, unsere Gesundheit zu verbessern. Zum Beispiel bedeutet auch Sport zunächst Stress für den Körper – er muss reagieren und baut daher Muskeln auf, die ihn letztendlich flexibler und stärker machen. Wichtig ist allerdings, dass der Stress nicht zu groß wird, wie bei manchem Marathonläufer, der nach der Ziellinie zusammenbricht.
Beim Fasten entsteht wiederum eine Art metabolische Flexibilität, die es uns ermöglicht, mit Stressoren im Stoffwechsel besser umzugehen. Da jeder Körper unterschiedlich auf Reize, das heißt „Stressoren“ wie Akupunktur und Co. reagiert, muss jeder seinen individuellen Weg finden.
Dr. Koppold: Es liegen, wie bereits oben erwähnt, bisher keine wissenschaftlichen Daten vor. Es gibt meines Erachtens noch keinen optimalen Zeitpunkt zum Fasten: Während manche Frauen besser damit zurechtkommen, in der ersten Zyklusphase zu fasten – weil sie sich in dieser Zeit fitter fühlen –,, kann diese Vorgehensweise bei Kinderwunsch kontraindiziert sein, da sich die Mitte des Zyklus nach hinten verschieben kann. Einigen Frauen fällt Fasten in der zweiten Hälfte aufgrund von Heißhunger wiederum deutlich schwerer.
Einige meiner Patientinnen berichten allerdings auch, dass sie beim Nahrungsverzicht in der zweiten Zyklushälfte weniger Beschwerden bei der Menstruation haben – möglicherweise aufgrund der antientzündlichen Komponente des Fastens. Längeres Fasten kann sich sogar auf zwei, drei Zyklen auswirken. Da Kontrazeptiva während einer Fastenkur eine geringere Wirkung entfalten können, sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern.
Dr. Koppold: Insgesamt halte ich eine antientzündliche, pflanzenbasierte Ernährung mit viel Gemüse für sinnvoll. Dabei sollte nur ein Teil des Gemüses roh verzehrt werden, um Darmbeschwerden vorzubeugen. Darüber hinaus empfehle ich, täglich Omega-3-Fettsäuren – beispielsweise über Leinöl – aufzunehmen und auf verarbeitete Lebensmittel mit Konservierungsstoffen und Co. zu verzichten.
Dr. Koppold: Am Immanuel Krankenhaus sind hauptsächlich Patienten mit Autoimmunerkrankungen und Stoffwechselerkrankungen, weniger mit gynäkologischen Beschwerden. Man kann Schmerzen als multifaktorielles Geschehen verstehen, das wiederum von der Verarbeitung von Reizen beeinflusst wird. Wer gerade stark gefordert ist, kann Stress womöglich weniger gut abwehren. All diese Faktoren sollte man bei der Diagnose berücksichtigen. Ich finde es sehr schade, wenn dabei nicht reflektiert wird, wie die aktuelle (psychologische) Situation mit den Beschwerden zusammenhängt.
Es sollte aus meiner Sicht darum gehen, die Komponenten zu stärken, die sich positiv auf das Schmerzgeschehen auswirken können, anstatt nur die Schmerzen einzudämmen. Denn letzteres birgt das Risiko, dass sich die Symptomatik verlagert und sich Schmerzen zu einer Depression entwickeln. Um dies zu verhindern, sollte man sich ausreichend Zeit für seine Patientinnen nehmen – Schmerzen werden sich schließlich nicht eingebildet und können sehr belastend sein. Wem es psychisch gut geht, kann Schmerzen besser verarbeiten. Es hängt alles miteinander zusammen – egal, ob die Beschwerden zunächst psychisch oder körperlich geprägt sind. Alle Faktoren müssen berücksichtigt werden, da sich sonst die einzelnen Komponenten hochschaukeln und ein Teufelskreis entsteht.
Dr. Koppold: Unsere Studie zur Fertilität ist diesbezüglich interessant: Eine Patientin hatte einen starken Kinderwunsch, wurde intensiv behandelt und stand kurz vor der künstlichen Befruchtung. Laut Studie sollte sie ihre Antidepressiva absetzen, um das Risiko einer Fehlbildung zu minimieren. Zusätzlich sollte die Patientin fasten. Letzteres kann allerdings psychische Beschwerden zunächst verstärken, da Ablenkung und Trost fehlen. Wie von mir befürchtet, fiel es der Patientin in den ersten beiden Tagen sehr schwer: Sie war deprimiert und aufgelöst, wollte aber dennoch weiter fasten.
Wir begleiteten sie im Fasten und am Ende der Fastenperiode berichtete die Patientin, dass es ihr noch nie so gut ging, obwohl sie ihre Antidepressiva abgesetzt hatte. Dieses Erlebnis hat mich sehr gefreut. Es ist aus meiner Sicht wichtig, zu sich zu finden und sich in seiner Rolle als Frau anzunehmen – unabhängig davon, ob wir uns für eine Schwangerschaft bzw. Familie entscheiden oder nicht.
Dr. Koppold: Auf der Webseite vom Immanuel Krankenhaus gibt es Ergebnisse zu unseren Studien, sobald sie veröffentlicht sind. Aus meiner Sicht ist noch viel Luft nach oben, wenn es um Frauenbeschwerden geht, die lange Zeit nicht ernst genommen wurden. Ich hoffe, dass die Thematik der Zyklusstörungen in den Medien und zukünftigen Forschungsprojekten mehr Raum bekommt.
Dr. Koppold: Es gibt eine gute Entwicklung in der Forschung – dank unterschiedlicher, optimierter Studiendesigns zu individuellen Krankheitsverläufen. Es wird allerdings sicher noch einige Jahre dauern, bis konkrete und individuelle Empfehlungen auch zu zyklusabhängigen Beschwerden vorliegen.
Jede Frau muss ihren eigenen, ganz individuellen Weg finden. Viele Frauen hören bereits auf die Signale ihres Körper und berücksichtigen die oben genannten Tipps einer pflanzlich betonten, antientzündlichen Ernährung. Fasten kann zusätzlich dafür sensibilisieren, achtsamer zu leben, die Gesundheit zu stabilisieren und sein Körpergefühl zu verbessern – und ein Zuviel an FastFood, Kaffee, Zucker, Salz und Co. zu vermeiden.