Dr. med. Judith Bildau im Experteninterview zum Thema: PMS/Menstruationsbeschwerden
Von PMS und Menstruationsstörungen können bereits junge Mädchen betroffen sein. Daher ist es umso wichtiger, diesen sensiblen Themen ausreichend Raum zu geben, Tabus zu überwinden und die medizinischen Ursachen und Therapiemöglichkeiten offen anzusprechen – einfühlsam und wissenschaftlich korrekt.
Dr. med. Bildau: Gerade in den letzten Jahren meiner Tätigkeit habe ich gemerkt, dass es in der Frauengesundheit viele „blinde Flecken“ gibt. Das ist in erster Linie für meine Patientinnen absolut frustrierend, aber auch für mich als Ärztin. Gerade im Bereich der Menstruationsstörungen oder des PMS gibt es viele Unbekannte. Das möchte ich, soweit es in meinen Möglichkeiten liegt, gerne ändern.
Dr. med. Bildau: In der Pandemie wurde mehr als deutlich, wie wichtig fundiertes medizinisches Wissen ist und wie viele Falschinformationen, vor allem in den sozialen Medien, kursieren. Das betrifft nicht nur Viruserkrankungen, sondern eben auch medizinische Themen wie Menstruationsschmerzen, Endometriose, PMS, Wechseljahre und so weiter. Ich habe nicht mit dieser positiven Resonanz gerechnet. Mir schreiben so viele Mädchen und Frauen, die dankbar sind, weil sie nun Zusammenhänge verstehen und für ihre Beschwerden eine Erklärung haben.
Dr. med. Bildau: Vor allem geht es darum, medizinische Sachverhalte mit einfachen Worten zu erklären. Im täglichen Praxisalltag ist oft sehr wenig Zeit für die Patientinnen. Die Kommunikation stockt, weil viel zu kompliziert erklärt wird. Am Ende haben die Frauen weder eine Erklärung, warum es ihnen so geht, noch wie es ihnen geht und erst recht keine wirkliche Hilfe. Deshalb sind viele frustriert und machen sich selbst auf die Suche nach Informationen. Es ist wichtig, dass sie dann auf medizinisch wirklich fundierte Informationen stoßen.
Dr. med. Bildau: Die medizinische Forschung wurde im Bereich der Frauengesundheit viel zu lange vernachlässigt. Das ist auch der Grund, warum viele medizinische Sachverhalte bis heute noch völlig unklar sind und es auch keine spezifischen und effektiven Therapien gibt. Jahrzehntelang wurde therapeutisch nach dem Prinzip „one fits all“ gehandelt. Das war in der Regel die Pille, die gegen alle möglichen gynäkologischen Beschwerden eingesetzt wurde. Vielen Frauen hat sie sicherlich auch geholfen, vielen jedoch auch nicht. Gerade im Bereich der Menstruationsstörungen und des PMS gibt es einige sehr wichtige nicht-hormonelle Therapieoptionen, wie Mikronährstoffe, die Veränderung von Lebensstilfaktoren und auch Phytopharmaka. Es wird Zeit, dass wir Mädchen und Frauen adäquat betreuen und behandeln.
Dr. med. Bildau: Ja, es ist erschreckend, aber tatsächlich sind es nach wie vor Tabuthemen. Ich denke, es liegt daran, dass alle Mädchen und Frauen schon einmal eine negative Erfahrung gemacht haben, wenn sie über ihren Leidensdruck gesprochen haben. Schon junge Mädchen bekommen den Vorwurf, den Schulsport schwänzen zu wollen, wenn sie sich wegen Menstruationsschmerzen krankmelden. Frauen, die unter einem PMS leiden, das übrigens ein anerkanntes Krankheitsbild ist, stellen sich an oder sind gar hysterisch. Klar, dass diese Themen dann vermieden werden. Dabei können wir die bestehenden Wissenslücken nur schließen, indem wir einerseits natürlich in Forschung und Lehre investieren, andererseits aber eben auch, indem es über frauenspezifische Erkrankungen einen gesellschaftlichen Diskurs gibt, darüber gesprochen und aufgeklärt wird.
Dr. med. Bildau: Ich spreche die Themen einfach an. Erkläre in einfachen Worten, was, nach unserem heutigen Wissenstand, im weiblichen Körper passiert. Ich versuche, die Frauen zu informierten Patientinnen zu machen, die dadurch die Möglichkeit haben, eine individuell passende Therapie für sich zu fordern.
Dr. med. Bildau: Ich wünsche mir sehr, dass betroffene Frauen niemals das Gefühl haben, dass mit ihnen etwas nicht stimmt oder sie gar verrückt sind, wenn sie in der 2. Zyklushälfte in ein tiefes Loch fallen, Schlafstörungen, Wassereinlagerungen und Stimmungsschwankungen haben. Das PMS ist ein anerkanntes Krankheitsbild und es gibt effektive Therapiemöglichkeiten, die jeder Betroffenen zustehen!