Julia Hughes im Experteninterview zum Thema: Zyklusstörungen
Viele Frauen sind im Laufe ihres Lebens von Zyklusstörungen betroffen – beginnend von der Pubertät bis hin zur Menopause. Um einen unregelmäßigen Zyklus und weitere Beschwerden wie PMS (prämenstruelles Syndrom) zu behandeln, steht die hormonelle Regulation im Mittelpunkt.
J. Hughes: Das Hormonsystem spielt eine ganz entscheidende Rolle, da der weibliche Zyklus von Hormonen reguliert wird. Hormone sind zwar für alle Menschen wichtig, gebärfähige Frauen unterliegen den hormonellen Auswirkungen allerdings ganz besonders: Wir sind den zyklischen Phasen bereits vor der ersten Periode ausgesetzt – also in der Zeitspanne eines Mädchens zur jungen Frau. Ich habe letztens gelesen, dass ein Mann im Laufe eines Jahres die gleichen hormonellen Veränderungen hat, die eine Frau einmal pro Monat im Zyklus durchläuft. Hormone steuern uns als Frauen entsprechend besonders intensiv.
Es spielen nicht nur weibliche Hormone wie Östrogen oder Progesteron eine Rolle, sondern auch alle weiteren Hormone. Es heißt nicht umsonst Hormonsystem, das grundlegend verstanden werden muss. Mein Anliegen ist es, meinen Patienten dieses fein-regulierte System zu erklären: Viele Kleinigkeiten können die Hormone stören – mit gewaltigen Auswirkungen auf die komplette Gesundheit und das Wohlbefinden. Ich sehe das Hormonsystem als Mobile, das bereits durch einen kleinen Windstoß aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann. Wenn ein Hormon nicht mitspielt, das im Orchester vorgesehen ist, geht die ganze Komposition unter.
Es gibt viele Mechanismen, die von der Natur geregelt werden. So dient der weibliche Zyklus dazu, schwanger zu werden, Kinder zu bekommen und später in die Wechseljahre zu gelangen. Störungen zeigen, dass etwas in unserem Körper nicht in Ordnung ist – beispielsweise, weil wir heute zu intensiv in das natürliche System eingreifen.
J. Hughes: Meine persönliche Erfahrung ist, dass ich Mutter eines autistischen Kindes bin: Der Autismus meines Sohnes und die besondere Pflege bedeuten großen emotionalen Stress. Mein Fokusthema war über lange Zeit Stressbewältigung, da ich mich immer an der Grenze der Belastbarkeit befand. Ich habe es irgendwann als Schicksal angenommen und meiner Familie zuliebe versucht, das Beste daraus zu machen.
Erstmals bewusst wurde mir der Zusammenhang aus Stress und Hormonsystem, als ich mit der Ausbildung zur Heilpraktikerin gestartet bin und unter PMS und starken psychischen Problemen litt. Helfen konnte mir niemand so richtig. Obwohl mir auf hormoneller Ebene ein Mönchspfefferpräparat empfohlen wurde, kam es zu keiner deutlichen Besserung.
Stress wird aus hormoneller Sicht auch als „Cortisol master of hormonal desaster” bezeichnet – das bedeutet, dass ein Zuviel an Cortisol zu einer hormonellen Dysbalance führt. Auch die Schilddrüse kann unter einer unzureichenden Stressbewältigung leiden und es können sich psychosomatische und emotionale Beschwerden entwickeln. Ich habe viele Patienten, die „nur” psychische Probleme haben, aber aufgrund des emotionalen Stresses wird zusätzlich auch die Hormonausschüttung beeinflusst. In der Ausbildung habe ich gelernt, welche Fähigkeiten die Naturheilkunde hat, um die Dysbalance wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Auf Empfehlung meiner Dozenten habe ich mir zum Beispiel die Hormonspirale rausnehmen lassen, mich vegan ernährt und gefastet.
J. Hughes: Es gibt eine direkte Verbindung zwischen der Schilddrüse und unserem Hormonsystem: Schilddrüsenhormone beeinflussen beispielsweise die Chancen, schwanger zu werden – unter Auswirkungen auf die Östrogenproduktion. Obwohl aus medizinischer Sicht ein Schilddrüsenwert zwischen 0,5 und 4 als normal gilt, empfehle ich Frauen mit Kinderwunsch in Anlehnung an die Naturheilkunde einen Wert von 1 bis 2, um die Östrogenproduktion positiv zu beeinflussen. Dieses Beispiel zeigt, wie feingliedrig das Hormonsystem interagiert. Während der Wechseljahre kommt es ebenfalls zu hormonellen Veränderungen, die wiederum zu Zyklusstörungen führen können.
Wenn wir über die Wechseljahre sprechen, kann der Zyklus in der ersten Phase noch regelmäßig sein, aber die Hormone verändern sich bereits: Die Progesteronwerte ziehen sich zurück, weil nicht mehr so häufig ein Eisprung stattfindet. Es können sich in Folge Beschwerden wie Depressionen aufgrund der hormonellen Veränderungen entwickeln, da Körper und Psyche aus Sicht der Naturheilkunde eng miteinander verbunden sind.
Die Hormonproduktion und Ausschüttung von Botenstoffen beginnen im Gehirn im Hypothalamus und interagieren mit zahlreichen Regelkreisen des Körpers. Insbesondere Progesteron spielt als sogenanntes Wohlfühlhormon eine wichtige Rolle. Obwohl der Zyklus zu Beginn der Wechseljahre noch regelmäßig sein kann, leiden einige Frauen bereits unter seelischen und psychischen Beschwerden. Im Laufe der Zeit entwickeln sich dann häufig Zyklusstörungen, die sehr vielfältig sind; daher sagt man auch: “Nichts ist so unregelmäßig wie die Regel selbst.”
J. Hughes: In erster Linie setze ich auf eine Entlastung des Körpers mit Entgiftung und Ausleitung und stelle mir Fragen wie „Was ist im System gestört?”, „Was könnte die Ursache sein?” bzw. „Woran liegt es?”. Die Suche nach den Gründen ist eine Detektivarbeit. Die Naturheilkunde nutzt dafür im Gegensatz zur klassischen Schulmedizin Instrumente wie eine Fastenkur, eine ayurvedische Entschlackung oder eine basische Diät.
Zusätzlich teste ich auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten, da diese aus Sicht der Alternativmedizin auch zu hormonellen Störungen führen können. Da es sich bei Unverträglichkeiten nicht um Allergien handelt, bleiben diese oft unentdeckt. Diesbezüglich ist vor allem Gluten aus industriell stark verarbeitetem Weizen und anderen glutenhaltigen Getreidesorten für Brot und Nudeln als Auslöser von Nahrungsmittelunverträglichkeiten in aller Munde. Darüber hinaus bleiben aus meiner Sicht weitere Unverträglichkeiten – teilweise auch auf Kosmetika – unentdeckt.
Kann ich eine Nahrungsmittelunverträglichkeit ausschließen, schaue ich mithilfe genauer Analysen, ob die Ursache der hormonellen Störungen auf anderen Ernährungsfaktoren oder auch auf einer Amalgamfüllung basieren kann. Dabei werfe ich einen Blick auf eine mögliche Mangelernährung und die Zufuhr von Mikronährstoffen wie Magnesium. Zusätzlich nutze ich Homöopathie und psychosomatische Zusammenhänge im Rahmen meines ganzheitlichen Ansatzes. Diesbezüglich interpretiere ich die Schilddrüse als „Schild der Seele“ und PMS als Möglichkeit, verdrängte Emotionen zuzulassen. Als Phytotherapeutikum der Kräuterheilkunde verwende ich wiederum Präparate wie Mönchspfeffer, Frauenmantel oder Schafgarbe.
J. Hughes: In erster Linie empfehle ich meinen Patientinnen, sich mit den psychosomatischen und hormonellen Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Wird zum Beispiel die Pille zu früh verschrieben, fehlt der Lerneffekt, was im Körper passiert, da die Periode weniger präsent ist. Als Kind hat mir eine Freundin erzählt, dass ihre Mutter ihren Eisprung spürt, da es ihr gelingt, in ihren Körper hineinzuhören. Das hat mich fasziniert und ich habe es später auch versucht, bestimmte physiologische Anzeichen bewusst wahrzunehmen.
Aus meiner Sicht ist auch eine gesunde Lebensweise wichtig, um das Risiko von hormonellen Dysbalancen – beispielsweise aufgrund künstlicher Hormone aus Plastik oder Kosmetika – zu reduzieren. Ich empfehle meinen Patientinnen diesbezüglich, sich damit zu beschäftigen, wodurch das hormonelle System beeinflusst wird. Zusätzlich halte ich einen Blick auf die individuelle Mikronährstoffversorgung – gegebenenfalls mit professioneller Beratung – für unverzichtbar. Insbesondere Magnesium und Vitamin D spielen meiner Meinung nach eine große Rolle und ein Mangel sollte unbedingt vermieden werden.
Während bei stärkeren Blutungen und weiteren ausgeprägten Symptomen die Ursache im Rahmen einer ärztlichen Diagnose gefunden werden sollte, können kleinere Beschwerden aus meiner Sicht hingegen oft schon mit Naturheilkunde ausgeglichen werden.
J. Hughes: Sie sollten mich anrufen! Spaß beiseite: Falls man sich Unterstützung wünscht, kann man zunächst die Schilddrüsenwerte auswerten und den Vitaminstatus überprüfen lassen. Da Zyklusstörungen ein so breites Thema sind, ist es wichtig, sich umfassend beraten zu lassen. Während es zahlreiche Möglichkeiten zur Verringerung von Beschwerden wie Schmerzen früher nicht gab, stehen heute zahlreiche Therapien zur Verfügung, um hormonelle Dysbalancen zu regulieren.
J. Hughes: In einem Satz: Geist, Körper und Seele sind eins, wir sind eine Einheit. Während die Homöopathie und die TCM (traditionelle chinesische Medizin) das schon seit hunderten von Jahren wissen, geht dieser Zusammenhang der Psychosomatik in der modernen Welt oft unter. Es kommt aus meiner Sicht auf eine Interaktion von Endokrinologie, Heilpraktikern und Co. an, um ganzheitlich erfolgreich behandeln zu können.
Gleiches gilt für einen bewussten Lebensstil mit Achtsamkeit und Yoga, um selbst Verantwortung für sich und seinen Körper zu übernehmen – und die eigene Weiblichkeit anzunehmen.