Experteninterview mit Prof. Dr. med. Christine Rummel-Kluge: Depressionen in der Schwangerschaft
Depressionen sind ein Thema, über das wir heute viel offener sprechen als noch vor einigen Jahren und Jahrzehnten – und das ist gut so! Wenn Schwangere über längere Zeit gedrückter Stimmung sind, sich antriebslos fühlen und für nichts Interesse aufbringen können – weder für frühere Hobbies noch die Vorbereitungen auf das Baby – ist eine ärztliche Abklärung ratsam.
Doch wie häufig kommen Depressionen in der Schwangerschaft eigentlich vor und wie können sie sich auf das ungeborene Kind auswirken? Dazu haben wir Prof. Dr. med. Christine Rummel-Kluge befragt: Sie ist als Oberärztin am Universitätsklinikum Leipzig tätig, arbeitet in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und kann uns somit auch über die Ursachen als auch die Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen in der Schwangerschaft fachkundig Auskunft geben.
Prof. Dr. Rummel-Kluge: Es gibt viele Faktoren, die eine Depression in der Schwangerschaft auslösen oder begünstigen können. Ein wichtiger Faktor sind bereits zuvor bestehende psychische Erkrankungen, die während oder nach der Schwangerschaft erneut oder verstärkt auftreten können. Auch die veränderte Lebenssituation infolge der Schwangerschaft kann ein ursächlicher Faktor sein, also z.B. die neue Rolle als (werdende) Mutter.
Des Weiteren können auch Schwierigkeiten oder Unsicherheiten in der Partnerschaft oder andere private Unsicherheiten wie finanzielle Sorgen sowie medizinische Probleme oder Komplikationen im Rahmen der Schwangerschaft eine Rolle spielen.
Prof. Dr. Rummel-Kluge: Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass etwa 10-15 % der werdenden oder jungen Mütter während oder nach der Schwangerschaft eine Depression entwickeln.
Prof. Dr. Rummel-Kluge: Eine Depression während der Schwangerschaft kann sich auf unterschiedliche Weise auf das Ungeborene auswirken. Das hängt u.a. auch davon ab, welchen Schweregrad die Depression der werdenden Mutter hat: Wenn es ihr zum Beispiel aufgrund der Depression nicht gelingt, sich ausreichend und gesund zu ernähren und sich ausreichend zu bewegen, kann das ungünstige Folgen für die Entwicklung des Ungeborenen haben. Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass Stress während der Schwangerschaft einen Einfluss auf das Ungeborene haben kann. Wenn werdende Mütter psychische Probleme haben, haben ihre Kinder später ein höheres Risiko für psychische und körperliche Erkrankungen.
Daher ist es während der Schwangerschaft besonders wichtig, die Depression frühzeitig zu erkennen und effektive Behandlungsangebote zu machen.
Prof. Dr. Rummel Kluge: Wenn der Verdacht auf eine Depression während oder nach der Schwangerschaft besteht, ist es wichtig, diesen Verdacht baldmöglichst professionell abklären zu lassen. Hebammen, Hausärzt:innen und Gynäkolog:innen können dabei erste Ansprechpartner:innen sein. Diese können dann ggf. an psychologische oder psychiatrische Kolleg:innen weitervermitteln.
Auch wenn es sich für die Betroffenen oft nicht so anfühlt: Depressionen lassen sich gut behandeln. Mit Psychotherapie und medikamentöser Behandlung stehen wirksame Behandlungsoptionen zur Verfügung. Heute gibt es auch eine Reihe moderner Medikamente zur Verfügung, die für Mutter und Kind gut verträglich sind.
Prof. Dr. Rummel-Kluge: Wie bei jeder depressiven Erkrankung ist es hilfreich, die Betroffene darauf anzusprechen und Unterstützung anzubieten. Gerade bei der Suche nach professioneller Behandlung können Angehörige sehr hilfreich sein und beispielsweise Ansprechpartner:innen recherchieren, Telefonate übernehmen, Termine notieren usw. Auch die Begleitung zum Arzttermin selbst kann sehr hilfreich sein, vor allem wenn das Baby schon da ist – der organisatorische Aufwand, mit einem Neugeborenen das Haus zu verlassen, ist ja anfangs noch ganz neu und ungewohnt.