Experteninterview mit Dr. Annette Abhau: Kopfschmerzen in der Stillzeit
Wenn stillende Mütter von Kopfschmerzen geplagt werden, stellt sich oft die Frage nach einer geeigneten Behandlung: Sind Schmerztabletten während der Stillzeit erlaubt? Welche natürlichen Alternativen gibt es zur Behandlung von Kopfschmerzen? Und wie steht es um das Thema Migräne in der Stillzeit?
Als Expertin für eben diese Fragen haben wir Dr. Annette Abhau befragt. Sie ist seit mehr als 30 Jahren als Apothekerin tätig, engagiert sich zudem in der Hebammenausbildung und hat auch ein Buch zum Thema Selbstmedikation in Schwangerschaft und Stillzeit verfasst.
Annette Abhau: Ich empfehle grundsätzlich allen Menschen, bei Schmerzen nicht direkt zu einem Schmerzmittel zu greifen, sondern zunächst der Ursache auf den Grund zu gehen. Gerade in der Schwangerschaft und Stillzeit sollte jede Mutter in sich hineinhorchen und sich fragen, wo und warum es wohl weh tut. Auch ist die Frage wichtig, seit wann und wie häufig die Schmerzen aufgetreten sind.
Kopfschmerzen treten während der Schwangerschaft und Stillzeit sogar meistens weniger häufig auf als davor oder danach. Bei einer plötzlichen Kopfschmerzattacke lohnt es, zunächst nach einer ausreichenden Trinkmenge, frischer Luft oder möglicher mangelnder Bewegung zu fragen.
Gerade das Kühlen ist bei Kopfschmerzen oft hilfreich: Neben frischer Luft und einem kühlen Waschlappen kann z.B. äußerlich der Euminz Stift angewendet werden – allerdings nicht zu nah an den Augen, um Reizungen zu vermeiden! Innerlich kann das Schüssler Salz Nr. 7, Magnesium phosphoricum, zum Einsatz kommen.
Annette Abhau: Der Einsatz chemisch-synthetischer Schmerzmittel ist im Rahmen der Selbstmedikation grundsätzlich und gerade bei stillenden Müttern nur als kurzzeitige und niedrig dosierte Einnahme im Falle beherrschbarer und unkomplizierter Krankheitsverläufe ratsam.
Es wäre fatal z.B. bei einer beginnenden Eklampsie oder einem HELLP-Syndrom, der schwersten Form dieser Art der Schwangerschaftskomplikation, die Schmerzen und das Unwohlsein einfach mit Paracetamol „wegzudrücken“. In diesen Fällen ist unverzüglich die Klinik aufzusuchen.
Sind im Rahmen der Selbstmedikation chemisch-synthetische Schmerzmittel indiziert, rät man während der Stillzeit zu Ibuprofen, da es noch weniger in die Muttermilch übergeht als Paracetamol. Bei Unverträglichkeit von Ibuprofen in der Stillzeit kann auch hier gelegentlich das Paracetamol angewendet werden.
Aber das heißt: EINE Tablette, und nur wenn es wirklich sein muss. Diese eine Tablette wird in der Regel gut vertragen und löst auch keine Analgetika-bedingten Kopfschmerzen aus ( das sind Kopfschmerzen, die durch einen Übergebrauch an Schmerzmitteln ausgelöst werden können). Und selbstredend, eine ärztlich verordnete Schmerzmitteleinnahme ist ganz klar von der hier besprochenen Selbstmedikation abzugrenzen.
Annette Abhau: In der Schwangerschaft und Stillzeit treten sowohl Kopfschmerzen als auch Migräne seltener auf als sonst. Wenn es dennoch zu häufigen und schweren Schmerzattacken wie einem Migräneanfall kommt, ist es gerade während der Schwangerschaft und Stillzeit wichtig, einen Arzt aufzusuchen, am besten einen Neurologen oder Anästhesisten. In diesen besonderen Lebenssituationen sprengt die Behandlung einer Migräne, deren Auftreten wie gesagt eher untypisch für diese Zeit ist, den Rahmen der Selbstmedikation.
Außerdem kommt der Prävention der Migräne eine besonders große Bedeutung zu: Was die Betroffene selbst tun kann, ist das Führen eines Schmerztagebuches, um sog. Trigger-Faktoren zu identifizieren. Typische Migräne-Trigger sind z.B. zu wenig Schlaf, Stress oder auch bestimmte Speisen, Gewürze oder große Mahlzeiten zur „falschen“ Tageszeit, insbesondere abends. Auch das Wetter kann bei Migräne eine Rolle spielen.
Dem mittlerweile allgegenwärtigen Stress können Migräne-geplagte Stillende in erster Linie mit Entspannungsübungen begegnen. Aus dem Bereich der Komplementärmedizin steht bei Kopfschmerzen, Verspannung und Stress das Schüssler Salz Nr. 7, Magnesium phosphoricum, zur Verfügung. Aus der klassischen Homöopathie bietet sich Nux vomica D12 an, wenn „alles einfach zu viel ist“. Auch für einige andere Trigger-Faktoren wie die Wetterfühligkeit bietet die Homöopathie passgenaue Mittel.
Die pharmazeutische Arzneimittelforschung hat sich dem Thema Migräneprävention ebenfalls verstärkt angenommen, allerdings unterliegen diese Medikamente allesamt der Verschreibungspflicht und sind damit den schweren Fällen vorbehalten, die ohnehin der ärztlichen Therapie vorbehalten sind.